
Ob Italien, Frankreich oder Finnland, beim Pfand für Getränkeflaschen gibt es in Europa große Unterschiede. Die neue EU-Verordnung will das ändern. Wie Deutschland mit funktionierenden Pfandsystemen vorangeht – und was Einweg und Mehrweg leisten können.
Ob am Comer See, an der Atlantikküste oder in den Dolomiten – wer im Sommer durch Europa reist, merkt schnell: Pfandsysteme sind nicht überall gleich und es fehlt an einheitlichen Standards. Doch genau das soll sich in der EU ändern. Künftig sollen alle Mitgliedstaaten Getränkeflaschen aus Kunststoff flächendeckend sammeln – idealerweise per Pfandsystem. Für uns in Deutschland ist das nichts Neues. Aber was zeichnet ein gutes Pfandsystem eigentlich aus, welche Rolle spielen Einweg und Mehrweg und wie gelingt es Reisenden, den Durchblick zu behalten und auch im Urlaub mit kleinen Entscheidungen viel für die Umwelt tun?
In vielen Urlaubsorten innerhalb der EU gibt es Sammelcontainer, in denen sich leere Plastikflaschen umweltgerecht entsorgen lassen. Ein Blick auf die Europa-Karte zeigt jedoch: Pfandsysteme für Getränkeflaschen sind längst nicht überall Standard. Während Länder wie Deutschland (seit 2003), Schweden, Finnland oder Dänemark bereits seit Jahren erfolgreich auf Pfand setzen, hinken viele süd- und osteuropäische Staaten noch hinterher.
Besonders auffällig: Große Märkte wie Spanien, Italien und Frankreich haben bislang kein verpflichtendes Pfandsystem eingeführt, obwohl dort große Mengen an Einwegverpackungen produziert und verkauft werden. Auch in Polen und Tschechien fehlt bisher ein flächendeckendes Rücknahmesystem, während Portugal und Belgien die Einführung bis 2026 planen.
Die Karte zeigt: Der Handlungsdruck wächst. Die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) fordert, dass bis Anfang 2029 in allen Mitgliedstaaten mindestens 90 % der Einweg-Kunststoffflaschen und Metalldosen gesammelt werden. Deutschland kann mit Erfahrung und funktionierenden Systemen als Vorbild dienen. Quelle: Europen – Darstellung: IK
Andere europäische Länder zeigen, wie es funktionieren kann: Schweden betreibt das älteste Pfandsystem Europas seit 1984. Es erfasst PET-Flaschen, Glasflaschen und Dosen und erzielt Rücklaufquoten von rund 85 %. Auch Finnland, wo seit 1996 ein umfassendes System für Einweg- und Mehrwegverpackungen gilt, erreicht mit rund 97 % eine der höchsten Quoten europaweit. In Dänemark (seit 2002) liegt die Rückgabequote ebenfalls über 90 %. Estland (seit 2005) und Litauen (seit 2016) erzielen Rücklaufquoten über 85 % bzw. 90 % – und zeigen, dass sich auch kleinere Märkte erfolgreich organisieren lassen.
Weitere Länder mit funktionierenden Systemen sind Kroatien (seit 2006), die Niederlande (seit 2005), Malta (seit 2022), Rumänien (seit 2023) sowie die Slowakei (seit 2022).
Andere Länder in Europa haben konkrete Pläne: In Österreich soll 2025 ein neues Einwegpfandsystem starten, Portugal und Belgien peilen 2026 an. Auch Irland und Schottland befinden sich in der Vorbereitungsphase.
Damit Pfandsysteme funktionieren, braucht es mehr als Automaten:
Deutschland erfüllt viele dieser Kriterien – und das macht den Unterschied.
Sowohl hinter der 25-Cent-Einwegflasche, aber auch hinter den vielen Glasflaschen und stabilen Mehrweg-PETs steckt ein Pfandsystem – nur eben mit Rückgabe zur Wiederauffüllung statt zum Recycling.
In Deutschland existieren diese beiden Pfandsysteme nebeneinander, der Produkt-Kreislauf für Mehrweg und der Material-Kreislauf für Einweg. Und das mit großem Erfolg: 76 % aller abgefüllten Getränke in Deutschland werden in pfandpflichtige Mehrweg- oder Einweg-Kreislaufflaschen abgefüllt. Das zeigt, wie etabliert und wirksam das System bereits ist. Allein im Jahr 2022 wurden in Deutschland 13,7 Milliarden Liter Getränke in Mehrwegflaschen verkauft, rund 73 % davon in Glas- und 27 % in Kunststoffflaschen. Gleichzeitig kamen im gleichen Zeitraum 18,5 Milliarden Liter in pfandpflichtigen Einwegflaschen in den Handel, überwiegend aus Kunststoff.
Ob Einweg oder Mehrweg – beide Systeme können zur Kreislaufwirtschaft beitragen, wenn sie effizient organisiert und konsequent genutzt werden. Mehrwegflaschen aus Glas oder PET werden gereinigt und wieder befüllt, mitunter bis zu 50-mal. Besonders bei regionalen Angeboten mit kurzen Transportwegen sind sie ökologisch vorteilhaft. Robuste Flaschen und standardisierte Prozesse ermöglichen eine hohe Zahl an Umläufen.
Allerdings ist Mehrweg nicht automatisch nachhaltiger. Wenn einzelne Flaschen über weite Strecken zurücktransportiert werden müssen, kann das ihren CO₂-Fußabdruck erhöhen, insbesondere im Vergleich zu einer leichten Einwegflasche, die effizient recycelt wird. Entscheidend sind daher die tatsächliche Wiederverwendungsrate und ein funktionierendes Rücknahmesystem.
Einwegflaschen werden in Deutschland nahezu vollständig zurückgegeben, zu Rezyklat verarbeitet und im Bottle-to-Bottle-Verfahren zu neuen Flaschen verarbeitet. Moderne PET-Flaschen sind leicht, hygienisch und besonders praktisch für unterwegs. Ihr Beitrag zur Ressourcenschonung gelingt jedoch nur, wenn Pfand, Rückgabe und Recycling optimal ineinandergreifen. Letztlich zählt nicht das System allein, sondern wie gut es umgesetzt wird und wie engagiert Verbraucherinnen und Verbraucher mitmachen. Nur dann funktionieren die Kreisläufe wirklich nachhaltig.
Quelle: IK
Die neue PPWR sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten Pfandsysteme einführen oder ausweiten müssen. Bis Anfang 2029 sollen 90 % der Einweg-Kunststoffflaschen und Metalldosen separat erfasst werden. Für Länder wie Deutschland ist das Routine, für andere ein großer Schritt. Denn in vielen EU-Staaten fehlt es noch an flächendeckender Rückgabe, klaren Standards und digitaler Nachverfolgung.
Die gute Nachricht: Pfandsysteme funktionieren. Denn Pfand sorgt für Verfügbarkeit hochwertiger Rezyklate – also Recyclingmaterial – das dann wieder zur Herstellung neuer Verpackungen dient. Ohne Pfand wäre diese nachhaltige Wiederverwendung kaum möglich. Doch Pfand ist nicht überall Standard. Noch nicht. Aber mit der neuen EU-Verordnung könnte sich das bald ändern.
Im Urlaub kann der Umgang mit Pfandsystemen kompliziert sein – mit diesen Tipps behalten Urlauber den Überblick und reisen nachhaltiger: